Verlängerte Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat klargestellt, dass für die Anwendung der verlängerten Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung genaue Feststellungen zum Steueranspruch und zum Vorsatz des Steuerpflichtigen notwendig sind. Ohne diese Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob die zehnjährige Frist gilt. Das Verfahren wurde deshalb an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Hintergrund
Ein Ehepaar hatte sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Die Ehefrau brachte später den Großteil ihrer Wertpapiere in eine gemeinsam mit ihrem Ehemann abgeschlossene Lebensversicherung ein. Nach ihrem Tod ging das Finanzamt zunächst davon aus, dass der Wert des Nachlasses unter dem Freibetrag lag. Deshalb wurde keine Erbschaftsteuererklärung angefordert und keine Steuer festgesetzt.
Erst später erfuhr das Finanzamt von der Übertragung der Wertpapiere auf die Lebensversicherung. Es bewertete dies als hälftige Schenkung der Ehefrau an den Ehemann und forderte nun eine Erbschaftsteuererklärung an. Der Ehemann legte Einspruch und klagte, blieb aber zunächst erfolglos.
Entscheidung
Der BFH entschied, dass die Revision des Klägers begründet ist. Für die Anwendung der verlängerten Festsetzungsfrist von zehn Jahren bei Steuerhinterziehung (§ 370 Abgabenordnung – AO) müssen sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung geprüft werden.
- Objektiver Tatbestand: Es muss festgestellt werden, ob tatsächlich Steuern verkürzt wurden. Das ist der Fall, wenn Steuern nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden.
- Subjektiver Tatbestand: Es muss geprüft werden, ob der Steuerpflichtige vorsätzlich gehandelt hat. Das bedeutet, er muss gewusst oder zumindest für möglich gehalten haben, dass eine Steuer entsteht und diese verkürzt wird. Auch bedingter Vorsatz reicht aus. Irrt sich der Steuerpflichtige über das Entstehen der Steuer, liegt kein Vorsatz vor.
Im vorliegenden Fall fehlten dem BFH ausreichende Feststellungen dazu, ob und in welcher Höhe ein Steueranspruch bestand und ob der Kläger vorsätzlich gehandelt hat. Ohne diese Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die verlängerte Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung gilt.
Das Verfahren wurde daher an die Vorinstanz zurückverwiesen. Das Finanzgericht muss nun klären, ob tatsächlich eine Steuerhinterziehung vorlag und ob die Voraussetzungen für die verlängerte Festsetzungsfrist erfüllt sind.