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Nachzahlungszinsen: Wann kommt ein Erlass aus Billigkeitsgründen infrage?

Die Finanzbehörden können Zinsansprüche ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Dabei müssen solche Umstände außer Betracht bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt.

Hintergrund

Die Klägerin ist unternehmerisch tätig. Bei einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt u. a. fest, dass Umsatzsteuer aus den Niederlanden von rund 1,5 Mio. EUR zu Unrecht als inländische Vorsteuer erfasst worden war und versagte diesen Vorsteuerabzug. Die Klägerin leistete vorab eine freiwillige Zahlung auf die zu erwartende Steuernachzahlung.

Das Finanzamt hat die Nachzahlungszinsen nur teilweise erlassen und lehnte den darüber hinaus begehrten Erlass aus Billigkeitsgründen ab.

Im Klageverfahren argumentiert die Klägerin, der Union sei kein Steuerausfall entstanden, da die Lieferung aus den Niederlanden dort als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei gewesen wäre. Nur wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung habe die dortige Festsetzung nicht mehr geändert werden können. Unter dem Gesichtspunkt des Steuerausfallrisikos sei der Union durch den erfolgten Vorsteuerabzug im Inland kein Nachteil entstanden. Aufgrund nationaler Verfahrensrechte ergebe sich eine Belastungswirkung durch die Verzinsung, die unter dem Gesichtspunkt des Neutralitätsgrundsatzes systemwidrig sei.

Entscheidung

Das FG hat die Klage abgewiesen und entschieden, dass die ablehnende Entscheidung des Finanzamts nicht zu beanstanden sei. Es sei bereits höchstrichterlich geklärt, dass die Verzinsung nicht deshalb unbillig sei, weil sich aufgrund einer Umsatzsteuerfestsetzung beim Leistenden per Saldo ein Ausgleich mit dem vom Leistungsempfänger abgezogenen Vorsteuerbeträgen ergebe. Die Entscheidung wird dadurch begründet, dass das Gesetz nicht auf einen Vorteil des Finanzamts, sondern des Steuerpflichtigen abstelle und außerdem die Entstehungsvoraussetzungen für die Steuer des Leistenden und für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht deckungsgleich seien.

Vorliegend sei zunächst zu beachten, dass nicht der inländische Fiskus die Steuer vom vermeintlichen Steuerschuldner erhalten habe, sondern der Fiskus in dem anderen Mitgliedstaat, aus dem Leistung an die Klägerin erfolgt sei. Die Klägerin übersehe hier, dass die deutsche Regelung allein auf das konkrete Steuerschuldverhältnis zwischen der Klägerin und Deutschland abstelle, während bei den streitbefangenen Lieferungen auch das Steuerschuldverhältnis der Leistungserbringer zu einem anderen Mitgliedstatt betroffen sei.

Zudem sei es zu einem Liquiditätsvorteil bei der Klägerin gekommen. Denn sie habe die Leistungen aus einem anderen Mitgliedstaat bezogen, sodass hier aus Sicht des anderen Mitgliedstaats steuerfreie innergemeinschaftliche Leistungen vorgelegen hätten und aus inländischer Sicht eine Erwerbsbesteuerung vorzunehmen gewesen sei. Daher sei die Klägerin für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs Steuerschuldnerin. Durch das Unterlassen der Klägerin, die innergemeinschaftlichen Erwerbe zu versteuern, hat sie einen finanziellen Vorteil erlangt.

Unbeachtlich sei dabei, dass die Klägerin die in den Rechnungen ausgewiesene Mehrwertsteuer an die Lieferanten in dem anderen Mitgliedstaat gezahlt habe. Denn insoweit sei höchstrichterlich geklärt, dass es für die Frage eines Zinsvorteils, der der Klägerin wegen ihres unberechtigten Vorsteuerabzugs entstanden sei, nur auf das zwischen ihr und dem Finanzamt bestehende konkrete Steuerschuldverhältnis ankomme.