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Grenzüberschreitend tätige Berufskraftfahrer: Wird der Arbeitslohn aufgeteilt?

Arbeitslohn, der für Tage bezogen hat, an denen teilweise in Deutschland und teilweise in Luxemburg gearbeitet wird, ist nicht im Wege einer Schätzung jeweils hälftig auf Deutschland und Luxemburg aufzuteilen, wenn geeignete Nachweise zum jeweiligen Grenzübertritt vorgelegt werden.

Hintergrund

Der im Inland wohnhafte Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Linienbusfahrer bei der Firma X, die ihren Sitz in Luxemburg hatte.

In der Einkommensteuererklärung 2015 erklärte der Kläger sowohl einen steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn und einen steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Arbeitslohn aus Luxemburg. Er gab an, insgesamt 109.343 Minuten gearbeitet zu haben, wovon 24,07 % auf die Tätigkeit in Deutschland entfallen seien. Zum Nachweis legte er tägliche Dienstpläne vor.

Das Finanzamt nahm anhand der eingereichten Unterlagen eine taggenaue Zuordnung vor. Demnach entfielen 33 Arbeitstage ausschließlich auf Luxemburg, 2 Arbeitstage ausschließlich auf Deutschland und 198 Tage auf beide Staaten.

Entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der vom BMF erlassenen Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg vom 9.7.2012 wies das Finanzamt die Arbeitstage, an denen der Kläger sowohl in Deutschland als auch in Luxemburg tätig war, beiden Staaten jeweils zu 50 % zu. Danach entfielen im Streitjahr 2015 auf Luxemburg 56,65 % (132 Arbeitstage) und 43,35 % (101 Arbeitstage) auf Deutschland. Im Einkommensteuerbescheid für 2015 wurde der im Inland zu versteuernde Arbeitslohn und die darauf entfallenden Werbungskosten anteilsmäßig entsprechend angesetzt. Der nach der vorgenommenen Aufteilung auf Luxemburg entfallende Arbeitslohn wurde dem Progressionsvorbehalt (abzüglich anteiliger Werbungskosten) unterworfen.

Für das Streitjahr 2016 erklärte der Kläger, kurz vor der erklärungsgemäß erfolgten Veranlagung, einen auf Deutschland entfallenden Arbeitslohn von 16,49 %. Zur Begründung wurde eine taggenaue Zuordnung anhand monatlicher Arbeitsauflistungen vorgelegt.

Das Finanzamt wies die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 zurück und lehnte auch die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2016 ab.

Der gegen die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 eingereichten Klage gab das FG nur zu einem kleinen – einen anderen Streitpunkt betreffenden – Teil statt und wies in Bezug auf die vom Finanzamt vorgenommene Zuordnung der Besteuerungsrechte für den Arbeitslohn die Klage als unbegründet ab.

Entscheidung

Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Das FG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass der Arbeitslohn, den der Kläger in den Streitjahren für Tage bezogen hat, an denen er teilweise in Deutschland und teilweise in Luxemburg gearbeitet hat, im Wege einer Schätzung jeweils hälftig auf Deutschland und Luxemburg aufzuteilen sei.

Zwar wird Arbeitsentgelt nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KonsVerLUXV, das auf Arbeitstage entfällt, an denen der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit teilweise in dem Vertragsstaat ausgeübt hat, in dem der Arbeitgeber des Berufskraftfahrers seinen Wohnsitz hat, und teilweise in seinem Ansässigkeitsstaat, unabhängig von der jeweiligen Verweildauer zu gleichen Teilen auf den Ansässigkeitsstaat des Berufskraftfahrers und auf den Wohnsitzstaat des Arbeitgebers aufgeteilt, jedoch ist die Regelung nicht auf das im Streitfall maßgebliche DBA-Luxemburg 2012 anwendbar. Als Abkommen im Sinne dieser Verordnung gilt nach § 1 KonsVerLUXV nur das DBA-Luxemburg 1958/2009. Eine Erstreckung auf das DBA-Luxemburg 2012 enthält die Verordnung nicht.

Auch die von § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KonsVerLUXV übernommene Konsultationsvereinbarung vom 7.9.2011 taugt nicht als Rechtsgrundlage für eine vom jeweiligen Ort der Arbeitsausübung unabhängige, pauschale hälftige Aufteilung der Besteuerungsrechte und verstößt im Falle seiner Anwendung gegen höherrangiges Recht.

Die von den Verwaltungen intendierte pauschal hälftige Aufteilung der Besteuerungsrechte bewegt sich nicht innerhalb des Wortlauts des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA-Luxemburg 2012. Danach können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat "ausgeübt".

Bei der in der Konsultationsvereinbarung u. a. genannten Berufsgruppe der Berufskraftfahrer kommt es bei der Arbeitsausübung zwar regelmäßig täglich zur gegebenenfalls sogar mehrfachen Überschreitung der Landesgrenzen, weshalb eine einfache und eine Doppel- bzw. Nichtbesteuerung vermeidende Handhabung zweckmäßig erscheint. Indessen aber ordnet die Konsultationsvereinbarung die hälftige Aufteilung "unabhängig von der jeweiligen Verweildauer" an. Es ist offensichtlich, dass dieser Inhalt mit dem durch Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 ausdrücklich angeordneten Tätigkeitsortprinzip unvereinbar ist und den Abkommenswortlaut überschreitet.

Bei der Bestimmung des Tätigkeitsstaats i. S. d. Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 kommt es allein auf den Ort der Ausübung der nichtselbständigen Tätigkeit an (Tätigkeitsortprinzip). Dabei ist auf den Arbeitsort abzustellen. Dieser befindet sich dort, wo der Arbeitnehmer sich zur Ausübung seiner Tätigkeit tatsächlich aufhält; ausschlaggebend hierfür ist seine physische Anwesenheit im Tätigkeitsstaat.

Für grenzüberschreitend tätige Berufskraftfahrer, deren Arbeitsort dort ist, wo sie sich mit den ihnen anvertrauten Fahrzeugen jeweils physisch aufhalten, folgt hieraus, dass das Arbeitsentgelt aufzuteilen ist; das gilt auch für den Fall, dass der Kraftfahrer an einem Arbeitstag nur stundenweise in einem Staat tätig geworden ist.

Zwar kann die erforderliche Aufteilung des Arbeitslohns nach dem physischen Aufenthalt im Wege einer Schätzung nach § 162 AO vorgenommen werden, wenn keine geeigneten Nachweise zum jeweiligen Grenzübertritt vorgelegt werden.

Im Streitfall lagen aber tägliche Dienstpläne bzw. monatliche Arbeitsauflistungen vor, aus denen sich die jeweils in Deutschland gefahrenen Minuten ergaben. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die vom FG vorgenommene hälftige Aufteilung der Arbeitszeiten realitätsnäher sein soll als die vom Kläger anhand der Unterlagen vorgenommene Ermittlung der grenzüberschreitenden Linienfahrten.