Skip to main content

Stipendium aus öffentlicher und privater Quelle: steuerpflichtige Einkünfte?

Leistungen aus einem Stipendium, die keiner vorrangigen Einkunftsart zuzuordnen sind, sind als wiederkehrende Bezüge steuerbar, wenn der Stipendiat eine wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat.

Hintergrund

Die A promovierte in 2012 bis 2014 an einer Universität im Freistaat Sachsen (S). Zur Förderung akademischer Nachwuchskräfte wurde A während ihrer Promotionszeit aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mit monatlich 800 EUR unterstützt. Nach den Vergabebedingungen war Voraussetzung, dass sich ein oder mehrere sächsische Unternehmen mindestens in gleicher Höhe an der Finanzierung beteiligen. Dementsprechend schloss die A mit einer in S ansässigen GmbH und der die Promotion betreuenden Universität eine Kooperationsvereinbarung. Darin verpflichtete sich die GmbH, das Stipendiums ebenfalls mit monatlich 800 EUR zu finanzieren. Die A war ihrerseits verpflichtet, ihre Arbeitskraft ausschließlich der Promotion zu widmen.

Anschließend erließ die Sächsische Aufbaubank (B) in ihrer Eigenschaft als Landesförderinstitut einen Bescheid über ein Stipendium an A von monatlich 800 EUR. Nach den Bestimmungen des Bescheids hatte A Nachweise über ihre Promotionstätigkeit und Zwischenberichte vorzulegen. Zudem unterlag sie hinsichtlich der Ergebnisse ihres Projekts einer 5-jährigen Ausübungs- und Verwertungspflicht in S.

Das Finanzamt nahm nur den aus Mitteln des ESF gezahlten Teil des Stipendiums von der Besteuerung aus. Die von der GmbH bezogenen Zuwendungen betrachtete das Finanzamt dagegen als steuerbare und steuerpflichtige sonstige Einkünfte i. S. v. § 22 Nr. 1 EStG.

Das FG folgte dieser Auffassung und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG hat im Einzelnen zu prüfen, ob in der von A übernommenen Verpflichtung, das Vorhaben in S zu verwerten, eine konkretisierbare wirtschaftliche Gegenleistung oder nur eine abstrakte beschäftigungspolitische Zielsetzung zu sehen ist.

Der Zufluss von Stipendien ist nicht von vornherein vom Tatbestand des § 22 Nr. 1 EStG (sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen) ausgenommen, da die finanzielle Unterstützung des Stipendiaten dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht. Allerdings erzielt ein Stipendiat dann keine steuerbaren Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 1 bzw. Satz 3 Buchst. b EStG, wenn er hierfür keine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat. Dabei stellt allein das durch das Stipendium geförderte Vorhaben keine solche Gegenleistung dar, da es nicht zu dem Zweck durchgeführt wird, Einnahmen in Form von Stipendienzahlungen zu erzielen.

Die von der GmbH bezogenen Zahlungen sind nicht bereits deshalb steuerbar, weil der GmbH dafür der Betriebsausgabenabzug zusteht. Das Korrespondenzprinzip verlangt nicht, dass im konkreten Einzelfall festgestellt wird, ob ein Abzug und eine Versteuerung auf Geber- und Empfängerseite sichergestellt sind. Entscheidend ist allein, ob die wiederkehrenden Bezüge freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht gewährt werden und deshalb nicht steuerbar sind. Das ist der Fall, wenn der Empfänger keine wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat.

Die Frage, ob die Zahlungen der GmbH unter den Einkünftetatbestand des § 22 Nr. 1 EStG fallen, muss die aus öffentlichen und privaten Mitteln erbrachte Finanzierung einheitlich betrachtet werden. Beide Anteile sind unabdingbar miteinander verwoben. Denn der Bezug des einen Förderungsanteils wäre ohne den anderen nicht möglich gewesen. Die Bewilligung des Stipendiums hing einerseits davon ab, dass sich ein sächsisches Unternehmen beteiligt. Auf der anderen Seite stand die Zahlungspflicht der GmbH unter dem Vorbehalt der Gewährung des "ESF-Stipendiums" durch S. Die Verknüpfung beider Finanzierungsanteile ergibt sich ferner daraus, dass die Kooperationsvereinbarung Bestandteil des Förderbescheids wurde.

Zwar kann die Pflicht der A, ihre Arbeitskraft der Promotion zu widmen, nicht als Gegenleistung im wirtschaftlichen Sinn angesehen werden. Allerdings kann im Streitfall die bei Stipendien nicht allgemeinübliche Pflicht der A, die aus dem geförderten Vorhaben gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse innerhalb einer bestimmten Bindungsfrist ausschließlich im Geber-Bundesland S beruflich zu verwerten, nicht ohne Weiteres als bloße Erwartungshaltung eingestuft werden. Insoweit bedarf es einer näheren Würdigung, ob in dieser Verpflichtung eine konkretisierbare wirtschaftliche Gegenleistung der A oder nur eine abstrakte beschäftigungspolitische Zielsetzung von S zu sehen ist.

Im Streitfall kann nicht offenbleiben, ob die streitigen Zahlungen der GmbH steuerbar sind. Wäre dies der Fall, unterlägen sie auch der Besteuerung, da eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG nicht eingriffe. Die Steuerbefreiung greift nicht ein, da das das Stipendium insoweit nicht aus öffentlichen Mitteln im Sinne der Vorschrift gewährt wurde. Die verausgabten Mittel stammten aus dem Unternehmensvermögen der GmbH. Sie unterlagen keiner öffentlich-rechtlichen Haushaltsbindung. Eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 44 Satz 1 bzw. Satz 2 EStG auf die vorliegende Konstellation kommt nicht in Betracht. Es fehlt an einer hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.