Sind Aufwendungen einer Ruhestandsbeamtin für ihre ehrenamtliche Gewerkschaftstätigkeit Werbungskosten?
Aufwendungen einer Ruhestandsbeamtin im Zusammenhang mit ihrer ehrenamtlichen Gewerkschaftstätigkeit sind als Werbungskosten bei ihren Versorgungsbezügen zu berücksichtigen.
Hintergrund
Die Klägerin bezieht als pensionierte Landesbeamtin Versorgungsbezüge. Bis zum Eintritt in den Ruhestand war sie hauptamtlich für die Gewerkschaft X im Deutschen Gewerkschaftsbund tätig und hierfür von ihrem Dienstherrn freigestellt. Seit dem Eintritt in den Ruhestand ist die Klägerin für verschiedene Gremien der Gewerkschaft X ehrenamtlich tätig.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2016 machte sie Aufwendungen für diese Tätigkeit als Werbungskosten bei ihren Versorgungsbezügen geltend. Dem folgte das Finanzamt nicht.
Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das FG statt.
Entscheidung
Der BFH hat entschieden, dass das FG zu Recht geurteilt hat, dass die streitigen Aufwendungen der Klägerin als Werbungskosten bei ihren Versorgungsbezügen zu berücksichtigen sind.
Die Frage, ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass leistet oder ob es sich um Aufwendungen für die Lebensführung i. S. v. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt, ist anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Aufwendungen sind dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie mit ihr in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.
Ob sich der streitige Aufwand konkret auf die Höhe des Arbeitslohns auswirkt, ist dabei ohne Belang. Stehen Aufwendungen in einem objektiven Zusammenhang mit dem Beruf, so ist es für den Begriff der Werbungskosten überdies nicht von Bedeutung, ob die Vorstellungen des Steuerpflichtigen, den Beruf zu fördern, der Wirklichkeit entsprechen, d. h. geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen.
Die Würdigung des FG, die streitigen Aufwendungen der Klägerin stünden in einem hinreichenden Veranlassungszusammenhang mit ihren Versorgungsbezügen und seien daher als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG zu berücksichtigen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das FG ist ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze zu dem Schluss gelangt, der erforderliche Veranlassungszusammenhang mit den Versorgungsbezügen liege im Streitfall vor, weil die Gewerkschaftsarbeit der Klägerin und die dadurch bedingten Aufwendungen auch auf die Verbesserung ihrer Einkünfte als Ruhestandsbeamtin zielten.
Da die Arbeit eines Berufsverbands auf dem Gedanken beruht, dass nur die Solidarität der Mitglieder zur Veränderung der beruflichen Bedingungen zugunsten der angeschlossenen Mitglieder führt, ist es folgerichtig, bei den Aufwendungen eines Mitglieds zwecks Förderung der solidarischen Gemeinschaft ebenfalls einen objektiven, durch Aufgabenstellung und Arbeit des Berufsverbands sichtbar werdenden Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit zu bejahen. Dieser Zusammenhang reicht aus, den Werbungskostenbegriff zu erfüllen, obwohl die Aufwendungen des einzelnen Mitglieds i. d. R. nicht unmittelbar und allein auf dessen eigene berufliche Bedingungen, sondern nur mittelbar durch die Arbeit der Gemeinschaft auf die Verhältnisse sämtlicher betroffener Mitglieder des Berufsverbands einwirken können.
An diesen Grundsätzen, die für Aufwendungen im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit für die zuständige Gewerkschaft eines berufstätigen Steuerpflichtigen gelten, hält der BFH fest und überträgt diese auch auf die ehrenamtliche Tätigkeit eines nicht mehr im aktiven Dienst befindlichen Steuerpflichtigen, der Versorgungsbezüge erhält. Denn Gewerkschaften vertreten nicht nur die beruflichen Interessen der berufstätigen Arbeitnehmer und Beamten, sondern auch die Erwerbsinteressen von Pensionären. Sie streben regelmäßig an, die Ergebnisse einer Tarifrunde im öffentlichen Dienst zeitgleich und systemgerecht bzw. wirkungsgleich auf den Bereich Besoldung und Versorgung zu übertragen.